20
Jan
2022

Vom Bullenankauf zum Spermaverkauf

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BSG Greifenberg - Vom Bullenankauf zum Spermaverkauf

Die genomische Selektion hat bei den Milchviehrassen die Bullenauswahl der Kunden stark verändert. Wurden jahrzehntelang überwiegend nachzuchtgeprüfte Spitzenvererber von den Züchtern zur Besamung ihrer Spitzenkühe eingesetzt, sind nun die genomischen Jungbullen die erste Wahl. Ob Nummer eins der Zuchtwertlisten oder Rekordauktionspreis - die Züchter können es kaum erwarten bis die ersten Spermaportionen der Jungstars verfügbar sind. Doch bis es soweit ist, müssen die Bullen eine Vielzahl von Eignungsprüfungen absolvieren.

Der Ankauf der Bullen

Bei den Rassen Braunvieh und Holstein werden von der BSG die genomisch interessanten Tiere bereits kurz nach der Testung als Kalb angekauft. Diese werden dann in den Aufzuchtbetrieb der Station gegeben. Nach der Körung werden die Braunvieh- bzw. Holstein-Jungbullen an die Besamungsstation Greifenberg umgestellt. Die überwiegend auf Auktionen ersteigerten Fleckviehbullen treten ihre Reise direkt von der Auktion zur Station an.

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Die Einstallung der Bullen

Die Neuankömmlinge werden bei der BSG in einer besonderen Quarantänestation „An der Schnaidt“ eingestallt, die sich ca. einen knappen Kilometer vom Hauptstandort der BSG entfernt befindet. Der Bullenzugang in die Quarantänestation erfolgt durch eine separate Schleuse. Der Raum wird nach Einstellung jedes Tieres gereinigt und desinfiziert. In den Boxen der Quarantänestation werden maximal zwei Tiere mit dem gleichen Status nach dem „Rein-Raus“ Prinzip gehalten. Natürlich wird auch nach dem Ausstallen der Tiere die entsprechende Quarantänebox gereinigt und desinfiziert. Diese Vorgehensweise lässt somit eine individuelle Quarantänisierung der Bullen zu.

Der Quarantänestall

Der Quarantänestall erfüllt die Anforderungen der EU-Verordnung 2020/686 und bietet zusätzlich weitere Sicherheitsvorkehrungen. Erbaut wurde der Stall im Jahr 1987. Er umfasst 15 Boxen mit Vorraum á 2 Standplätze. Geflieste Wände bis 2,2 m Höhe sowie ein Vorraum, der mit Stiefeln und Kittel für jede einzelne Box ausgestattet ist, sorgen für einen hohen Hygienestandard. Die Liegeflächen in den Boxen sind mit 4 cm dicken und flüssigkeitsdurchlässigen Gummimatten versehen, die einen hohen Liegekomfort für die Bullen garantieren. Die Fütterung erfolgt beim Kraftfutter automatisiert, direkt über ein Rohr in den Trog, Rauhfutter wird in jeder Box händisch vorgelegt. Jede Box ist einzeln mit gefilterter und temperierter Zuluft versorgt, was über eine Zentrale Regelungsanlage gesteuert wird. Neben Temperatur und Luftfeuchtigkeit ist die Luftwechselrate ein wichtiger Parameter! Die Abluft wird über den Kanal zur Entmistung abgesaugt nach Filterung über mehrere Luftwäscher ins Freie. Durch dieses Lüftungssystem wird ein direkter Kontakt mit der Außenwelt weitestgehend vermieden. Der Quarantänestall wird durch unser Personal ausschließlich über Hygieneschleusen nach dem Schwarz-Weiß-Prinzip betreten.

Aus dem Quarantänestall ist kein Zugang zu den sonstigen Tierunterkünften oder Futterlager möglich. Die Laufgänge werden bei jedem Tierverkehr auf den Gängen (Bullen in oder aus der Quarantäne) mit einer Desinfektionslösung benetzt.

Die teilweise einzigartigen, individuellen baulichen Details der Quarantänestation der BSG, findet man kaum an Standorten anderer Organisationen, sie macht den Stall zu etwas ganz Besonderem.

Die Quarantänemaßnahmen

Die Bullen werden über einen Zeitraum von durchschnittlich 6 Wochen in Quarantäne gehalten. Zu Beginn erfolgt eine Einstallungsuntersuchung bei der - neben einer allgemeinen Untersuchung - auch die männlichen Geschlechtsorgane, insbesondere der Hoden berücksichtigt wird. Die Bullen werden im Verlauf der Quarantäne gegen Endo- und Ektoparasiten behandelt. Sie erhalten einen Nasenring, einen Käfigmagneten zur Fremdkörperprophylaxe und werden bei Bedarf gegen Trichophytie geimpft.

Die weiteren Untersuchungen werden streng nach EU-Verordnung 2020/686 durchgeführt. Zusätzliche fakultative Testungen sollen ein weiteres Maß an Sicherheit für die Umstellung der Bullen in den Produktionsbereich bringen sowie die Voraussetzung für Drittlandexporte des produzierten Spermas schaffen.

Bei der Vorquarantäneuntersuchung wird ein Hauttest (Simultantest mit bovinem und aviärem Tuberkulin) durchgeführt. Weiter werden Blutproben entnommen, die am LGL in Oberschleißheim auf BHV-1, Brucellose, Leukose, BVD Antikörper, BVD Antigen, BTV Antikörper, BTV Antigen, Paratuberkulose und Leptospirose untersucht werden.

Während der Hauptquarantäne folgen drei Präputialspülproben zur Untersuchung auf Trichomonaden und Campylobacter. Diese werden frühestens 1 Woche nach Beginn der Hauptquarantäne in mindestens 7- tägigen Abständen durchgeführt. Eine weitere Blutuntersuchung auf BHV-1, Brucellose, BVD Antikörper, BVD Antigen, BTV Antikörper, BTV Antigen und SBV Antikörper folgt frühestens 21 Tage nach Beginn der Hauptquarantäne.

Die Befunde eines jeden Bullen werden in einer Stierkartei dokumentiert und zusätzlich im Tierarztmodul des BSG-Systems elektronisch gespeichert. Nach Eingang aller Ergebnisse und gewissenhafter Prüfung kann der Bulle die Quarantäne verlassen.

Umstellung zur Zentrale in den Produktionsstatll

Die Bullen werden in der Regel eine Woche vor der ersten Samenentnahme vom Quarantänestall zum Produktionsstall transportiert. So haben die Bullen Zeit sich an die neue Umgebung, die neuen Stallkameraden und Stierpfleger zu gewöhnen. Sie erhalten eine Namensmarke sowie die elektronische Lebendohrmarke des LKV zur eindeutigen Registrierung bei bzw. nach der Samengewinnung.

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Spermagewinnung & Qualitätskontrolle

Je nach Entwicklung der Jungbullen werden diese einmal oder zweimal die Woche abgesamt. In der Regel springen die Bullen von Beginn an oder benötigen nur eine kurze Eingewöhnungsphase bis zur ersten erfolgreichen Spermaentnahme. In Ausnahmefällen kann es - meist bei spätreifen Bullen - mehrere Wochen dauern bis diese auf das Phantom bzw. den Untermann aufspringen und in die Produktion einsteigen.

Erfüllt der gewonnene Samen die Qualitätskriterien eines Roh-Ejakulats nach ADR-Norm wird dieser verdünnt, konfektioniert und kryokonserviert. Erreicht das Sperma nach dem Wiederauftauen bei der computergestützten Motilitätsanalyse die entsprechenden Motilitätsparameter, wird es in die Quarantänebehälter eingelagert. (Weitere Informationen hierzu auf unserer Webseite im Artikel „Spermaproduktion BSG Greifenberg“)

Spermaquarantäne

Jedoch auch eine taugliche Charge kann nicht sofort ausgeliefert werden. Vor der Auslieferung steht noch eine 30-tägige Quarantänezeit in einem Großcontainer. Diese Quarantänefrist ist nach EU-Verordnung 2020/686 streng einzuhalten. In der Zeitspanne muss abgewartet werden, ob bei dem Samenspender eine über das Sperma übertragbare Erkrankung auftritt, welche zum Zeitpunkt des Absamens noch nicht erkannt werden konnte.

 

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Erste Samenausgabe

Oftmals gibt es schon Wartelisten, bevor das erste Ejakulat eines neuen BSG Jungstars für den Verkauf frei gegeben werden kann. Bei den Nachfragen sind jedoch nicht nur unsere Mitgliedsbetriebe zu berücksichtigen. Gerade Spitzenbullen der Rasse Fleckvieh sind oftmals in Gemeinschaftsbesitz mit unseren Partnerstationen CRV und Genostar. Es braucht also nicht nur Zeit bis das Sperma zum Verkauf zur Verfügung steht, sondern je nach Nachfrage auch etwas Geduld bis jede Bestellung berücksichtigt werden kann. Das Labor- und Stallpersonal der BSG kennt diese Thematik und Ihre Kundenwünsche sehr gut. Alle sind täglich motiviert bei ihrer Arbeit, um die Verfügbarkeit der Spitzenbullen zu maximieren und werden in gewohnter Weise Ihre Kundenwünsche gerne erfüllen.

Dr. Markus Gropper, Stationstierarzt BSG